Nicht Berlin, sondern Bingen/Münster-Sarmsheim führt gerade die Damen-Tabelle an (©Roscher)
20.02.2018 - Die Bundesliga der Damen bietet in der laufenden Saison ein geradezu ungewohntes Bild. In der Eliteklasse mit ihrem Rumpfformat von lediglich sieben Mannschaften und dem ungeliebten Play-off-„Notfallmodus“ herrscht fast in jedem Bereich der Tabelle Spannung. Obwohl die Situation weitgehend nicht alltäglichen Umständen geschuldet ist, hält unser Blogger Dietmar Kramer die Entwicklung für einen möglichen Fingerzeig in Richtung sinnvoller Reformen.
Es ist im Alltagsleben ja immer noch viel zu selten der Fall, dass Frauen für die gleichen Leistungen auch die gleiche Anerkennung wie Männer erhalten. Tischtennis macht da kaum eine Ausnahme und ist damit auch nur ein Spiegelbild der Gesellschaft. Im Tischtennis fristen denn auch die oberen Ligen für Damen-Mannschaften hierzulande selbst im Vergleich zu den Herren-Klassen ein Schatten-, wenn nicht sogar ein Nischendasein. Das hat vielerlei Gründe, auch strukturelle, die Dominanz letztlich konkurrenzlos überlegener Mannschaften in den vergangenen 20 Jahren (Langweid, Kroppach, Berlin) tut ihr Übriges.
Damen-Bundesliga liefert Spannung pur
Umso bemerkenswerter, dass die Damen-Bundesliga in der laufenden Saison der TTBL der Herren in Sachen Spannung fast den Rang abzulaufen vermag. Das Geschehen an der Spitze ist von einem Dreikampf und nicht von einem Alleingang geprägt, und dahinter läuft ein durchaus packendes Rennen um die Teilnahme an der Play-off-Runde bis zum letzten Tabellenplatz. Wäre die Abstiegsregelung nicht außer Kraft gesetzt, würde mithin auch der Kampf um den Klassenerhalt hochinteressant sein. Kurz: Jedes Spiel hat Auswirkungen auf den weiteren Saisonverlauf, jeder Punkt hat wirklich Bedeutung. Solche Konstellationen kann die TTBL in diesem Jahr ungeachtet ihrer Leistungsdichte besonders hinter Branchen- und Tabellenführer Borussia Düsseldorf nur bedingt bieten.
Natürlich ist das Tabellenbild im Damen-Lager auch ein verzerrtes, herrschen dort doch buchstäblich andere Umstände. Besonders durch zwei Schwangerschaften (Kathrin Mühlbach, Shan Xiaona) sind die Planungen von Serien-Champion ttc berlin eastside für den nächsten Titelgewinn zu Makulatur geworden, aber auch durch den unvorhersehbar langen Ausfall seiner Nationalspielerin Petrissa Solja. Nachwuchs bei Kristin Lang zwang Vizemeister SV DJK Kolbermoor gleichfalls zu anderen Mannschaftsaufstellungen als vorgesehen, und auch beim TuS Bad Driburg musste sich Nadine Bollmeier wegen ihrer anstehenden Mutterfreuden auf ihre Rolle als Coach statt als Spielerin beschränken. Bei anderen Mannschaften fehlten fest eingeplante Spielerinnen wegen gesundheitlicher Probleme mal mehr (Theresa Kraft/SV Böblingen) oder weniger (Hana Matelova/TTG Bingen/Münster-Sarmsheim) lange, so dass sich viele vor Saisonbeginn abgegebene Prognosen längst überholt haben. Doch ob nun wegen Babypausen oder aus anderen Gründen: Die Liga ist spannend - wenn ein Duell zwischen Kolbermoor und Böblingen zu einem Thriller avanciert, kann das Zuschauer und Fans nur freuen.
„Schrumpfkur“ und Play-offs als Glücksfälle
Die genannten Beispiele sind allesamt Einzelfälle, mithin Momentaufnahmen, so dass die kommende Saison schon wieder ganz anders, womöglich wieder weitgehend eintönig wie in der Vergangenheit verlaufen könnte. Kann so kommen, muss aber nicht. Denn als ein nicht unwichtiger Faktor für das neue Leben in der Liga erscheint sehr wohl der im Vorjahr nach dem Abschied von gleich drei Teams aus dem Oberhaus in Windeseile entwickelte „Notfallplan“ mit der bei den Damen-Klubs gar nicht beliebten Play-off-Runde. Alleine durch die niedrige Anzahl von Mannschaften, aber zugegebenermaßen auch erheblich von unvorhersehbaren Einflüssen bei mehr als der Hälfte der Vereine begünstigt, sind schon die Hauptrunden-Spiele fast durchgängig von einer übergeordneten Bedeutung, und aufgrund der veränderten Personaltableaus der Teams lassen sich momentan nicht einmal annähernd sicher die Halbfinals voraussagen.
Was besonders ins Auge sticht, ist tatsächlich eine weitgehende Ausgeglichenheit innerhalb der Liga. Selbst wenn man die formal herausragenden Aufstellungen von Berlin und Kolbermoor unberücksichtigt lässt, bewegen sich die meisten Teams wenn nicht gerade immer auf Augenhöhe, so doch zumindest auf einem gemeinsamen Level. Kaum verwunderlich, verteilten sich doch vor Saisonbeginn die für Liga eins in Betracht kommenden Spielerinnen auf nur noch wenige Vereine.
Weniger kann mehr sein – in vielen Bereichen
Dies ist womöglich eine der wichtigsten Erkenntnisse für die Damen-Bundesliga seit Jahren: Weniger kann mehr sein – und acht Mannschaften statt der nominell erwünschten zehn Teams könnten tatsächlich das bessere Maß für die Spielklasse sein. Eine kompakte Hauptrunde weitgehend ohne Trainingsspiele gegen Sparringspartner im Gewand eines Bundesligisten kann für Interesse beim Publikum sorgen und Play-offs zu krönenden Höhepunkten geraten lassen. Unter solchen Vorzeichen ließen sich die weitere Professionalisierung und eine erfolgreichere Vermarktung – ob als Einzelverein oder als Liga-Gesamtkonstrukt – deutlich leichter umsetzen. Weniger ist eben oftmals wirklich mehr – auch wenn die Umstände dieses Jahr wirklich anders sind.
(Dietmar Kramer)
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