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Dietmars Blog: Zu wenig German Open im TV - Geigers Kritik richtig!

Im Fernsehen fanden die German Open in Bremen fast nicht statt (©Roscher)

26.03.2018 - Die German Open in Bremen waren ein Zuschauererfolg. Leider aber vor allem für die Zuschauer vor Ort und weniger für die Zuschauer daheim vor ihren Fernsehern. DTTB-Präsident Michael Geiger stimmte nachdenkliche Töne zur insgesamt wieder einmal enttäuschenden Präsenz des Topevents im deutschen Fernsehen an. Unser Blogger Dietmar Kramer findet die Kritik des Verbandschefs richtig und überfällig.

Der Schlusstag der German Open in Bremen brachte trotz der Niederlage für Überraschungs-Halbfinalist Patrick Franziska, des K.o.s des Weltranglistenersten Timo Boll im Viertelfinale und der Erstrunden-Aufgabe von Weltcupsieger Dimitrij Ovtcharov noch einmal frohe Kunde: Über 13.000 Zuschauer strömten während der „Mini-WM“ in die Halle und sorgten damit für einen bemerkenswerten Besucherrekord. Veranstalter und Organisatoren konnten außerdem vermelden, dass die Platinum-Veranstaltung an der Weser rund um den Globus herausragendes Interesse an den Übertragungen aus Deutschland geweckt hat und die Rahmenbedingungen nahezu an perfekt grenzten. Was dem Vorzeige-Event für das deutsche Tischtennis - außer vielleicht einem Sieg eines einheimischen Spielers - fehlte, wurde in der öffentlich vorgetragenen Bilanz nicht erwähnt: Die German Open fanden praktisch nur für das Publikum in der Bremer Arena statt. Tischtennis-Fans ohne Tickets oder ohne Gelegenheit zu einem Trip in den Norden oder ohne Zugang und/oder Affinität zum Internet schauten – wieder einmal – buchstäblich in die Röhre. Nicht einmal fünf (!) Minuten war eines der weltweit wichtigsten Tischtennisturniere dieses Jahres den Programmplanern von ARD und ZDF für ihre Sportsendungen am Sonntag wert. 

Gute Chance verpasst

Als zum leidensfähigen TV-Konsumenten erzogener Tischtennis-Anhänger mag man mittlerweile womöglich dazu geneigt sein, solche Brosamen vom großen und vielfältigen TV-Kuchen schon als Leckerbissen wahrzunehmen. Doch tatsächlich kommt die Ignoranz der deutschen Sender, nicht nur von ARD und ZDF, inzwischen einer Unverschämtheit gleich: Da brechen Ovtcharov und Boll über Wochen und Monate mit absoluten Weltklasseleistungen Jahrzehnte lang zementierte Machtverhältnisse auf, stehen kurz vor einer WM mit so großen Titelchancen wie niemals zuvor – und dann bekommen Fans und besonders auch nur allgemein Sportinteressierte statt eines sich anbietenden Hintergrundberichtes gerade einmal als Rauswerfer zum Abschluss des Wochenendes schnell zusammengeschnittene Häppchen von einem – sorry, Patrick Franziska – in Sportdeutschland weitgehend unbekannten Spieler aus der zweiten Reihe serviert. Mahlzeit!

Natürlich waren die Berichte in den öffentlich-rechtlichen Sendungen über Franziskas Halbfinalmatch gegen Xu Xin aufgrund der Aktualität absolut gerechtfertigt, und ebenso natürlich ist die inhaltliche Gestaltung den vor Ort tätigen Experten zu überlassen. Gleichwohl wäre Bremen auf der anderen Seite jedoch eine feine Chance gewesen, der deutschen Öffentlichkeit erste Hinweise auf die nahende WM und die historisch einmaligen Aussichten von deutschen Sportlern im Range von Weltstars zukommen zu lassen. Leider ließen die deutschen Fernsehsender diese Gelegenheit in Bremen wieder einmal ungenutzt.

Geiger übt TV-Kritik

Für Michael Geiger jedoch war das Maß in Bremen voll. Der Präsident des Deutschen Tischtennis-Bundes (DTTB) bezog noch vor Ort in einem Interview mit dem pikanterweise ebenfalls öffentlich-rechtlich organisierten Deutschlandfunk unmissverständlich Position und prangerte die Missachtung des Tischtennis im deutschen Fernsehen kraftvoll als „Medienproblem“ an. Mehr Qualität, Brisanz und Spannung als ein Match zwischen einem Weltranglistenersten aus Deutschland einerseits und dem Olympiasieger und Weltmeister aus China wie das Duell zwischen Boll und dem späteren Turniersieger Ma Long könne man nicht anbieten, klagte Geiger über die geringen TV-Zeiten für die German Open, und fügte durchaus verärgert hinzu: „Was sollen wir denn noch ändern?“ Recht hat Geiger. Wichtiger jedoch als diese Binsenweisheit ist allerdings seine abschließende Ansage in dem Interview, sich mit einer solchen Abspeisung „nicht abfinden“ zu wollen, dass deutsche Stars nicht auch im deutschen Fernsehen gezeigt werden. Richtig so.

Geigers unverhohlene Kritik ist in ihrer Deutlichkeit zwar neu, aber in eben dieser Klarheit auch schon lange überfällig gewesen. Lange, womöglich zu lange hat sich das deutsche Tischtennis, hat sich auch der DTTB von den TV-Sendern gängeln lassen und sich mit allgemeinen und nicht sonderlich hoch dotierten TV-Verträgen zufriedengegeben, um nicht eine irgendwie geartete Chance auf noch so niedrige TV-Zeiten von Events hierzulande zu riskieren.

Das Beispiel Handball

Die Strategie ist, das muss man im Rückblick konstatieren, schlichtweg nicht aufgegangen. Fehlgeschlagen sogar, wenn man bedenkt, wie wenig von der Einzel-WM im vorigen Jahr in Düsseldorf über deutsche Bildschirme flimmern gelassen worden ist. Das deutsche Tischtennis muss sich mittlerweile vom deutschen Fernsehen vorgeführt vorkommen. Geigers Verärgerung könnte einen Wendepunkt in der Haltung gegenüber den TV-Sendern markieren. Wenn nicht alles täuscht, scheint der DTTB-Chef entschlossen, seinen Unmut bei nächster Gelegenheit und an entsprechender Stelle in geeigneter Form vorbringen und damit ein Umdenken in den Sendezentralen herbeiführen zu wollen. Eine solche Taktik kann durchaus erfolgversprechend sein. Frag’ nach beim Handball, wo der Verband - mit allerdings völlig überzogener Hybris -  Liveübertragungen von Spielen seiner Nationalmannschaft bei WM- und EM-Turnieren sogar per Staatsvertrag zur gesetzlichen Pflicht machen wollte. So weit kam es dann zwar nicht, aber aufgrund des öffentlichen Tohuwabohus beugten sich ARD und ZDF letztlich doch dem sehr wohl inszenierten Druck und zeigten die Begegnungen.

Für eine vergleichbare Vorgehensweise ist im Tischtennis jedoch auch eine Einbeziehung der durchaus breiten Basis vonnöten. So sehr die Initiative hierfür wohl vom Verband auszugehen hätte, so sehr müsste, wie schon mehrfach an dieser Stelle angeregt, aber auch endlich einmal die oft zitierte Basis selbst in die Gänge kommen und ihren Anspruch auf TV-Bilder von ihrem Sport anmelden. Ein Anfang wäre schon gemacht, würde von jedem interessierten Fan nur auf ein Posting in den vielen Tischtennis-Foren verzichtet und stattdessen eine simple Email mit dem Wunsch nach mehr Tischtennis im Fernsehen an ARD/ZDF oder welchen deutschen Sender auch immer geschickt.

DTTB-Chef Geiger hat zu Recht Kritik geübt und damit etwas angestoßen. Endlich. Für spürbare Veränderungen aber braucht Geiger Unterstützung. Unterstützung, die durch die gar nicht wenigen Tischtennis-Fans durchaus zu bewerkstelligen wäre.

(Dietmar Kramer)

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