Die TTF Liebherr Ochsenhausen verzichten nächste Saison auf die Champions League (©Roscher)
19.06.2018 - Am Donnerstag läuft die Frist zur Meldung für die Europapokal-Wettbewerbe der bevorstehenden Saison ab. Seitens der Bundesligen hält sich das Interesse an Auftritten auf internationaler Bühne einmal mehr in Grenzen. Unser Blogger Dietmar Kramer macht sich Gedanken über die Ursachen der geringen Attraktivität von Champions League und ETTU-Pokal im Tischtennis und die Unterschiede zu anderen Sportarten.
Champions League, Europapokal – Zauberworte in der Welt des Sports. Flutlicht, herausgeputzte Arenen, volle Tribünen, begeisterte Zuschauer, Fernsehübertragungen, großer Sport, Spektakel mit oftmals geradezu legendären Duellen, Imagegewinn und nicht selten auch fette Kasse – das alles bringt der Gedanke daran im Allgemeinen mit sich. Deswegen streben auch in aller Regel Vereine nach den Plätzen in den internationalen Wettbewerben mit ihren unterschiedlichen Namen.
Wenig Interesse an internationalen Festtagen
Die deutschen Tischtennis-Klubs haben indes offenbar nur wenig Interesse an hochklassigen Vergleichen mit der europäischen Konkurrenz. Lediglich die Branchenführer Borussia Düsseldorf bei den Herren und ttc berlin eastside bei den Damen sowie Düsseldorfs TTBL-Konkurrenten 1. FC Saarbrücken-TT und Post SV Mühlhausen haben bis kurz vor Ablauf der Meldefrist für die Champions-League- und ETTU-Cup-Wettbewerbe am 21. Juni die notwendigen Unterlagen beim Deutschen Tischtennis-Bund (DTTB) eingereicht. Der Rest? Fehlanzeige.
TTBL-Vizemeister und Champions-League-Halbfinalist TTF Liebherr Ochsenhausen folgt nach Informationen der Schwäbischen Zeitung für die kommende Saison dem Beispiel des TTC RhönSprudel Fulda-Maberzell aus inzwischen schon mehreren zurückliegenden Jahren und verzichtet ganz bewusst auf einen Platz in der kontinentalen Königsklasse. Auch bei Ex-Champion Werder Bremen ist scheinbar keine große Lust auf Europapokal vorhanden. Der neue Damen-Meister SV DJK Kolbermoor hatte das Thema zwar auf der Agenda, ließ aber zuletzt eher eine ablehnende Haltung durchblicken. Wie kann es sein, dass im Tischtennis – einmal wieder – so vieles anders daherkommt als in den meisten anderen Sportarten? Was bewegt Klubs mit durchaus größeren Ambitionen zu ihren bemerkenswerten Sonderwegen?Antworten sind nicht einfach. Denn die Probleme sind struktureller Natur und werden bizarrerweise mehr durch interne Entscheidungen als durch äußere Einflüsse zusehends verschärft. Auch dies ist ein im Tischtennis immer wieder zu beobachtendes Phänomen.
Stars haben volle Kalender
In Sachen Champions League und Co. ist nun der Weltverband ITTF seinem europäischen Pendant ETTU massiv in die Parade gefahren. Vielleicht nicht ohne Informationen, gleichwohl vergleichsweise rücksichtslos erfolgte die durchaus begrüßenswerte Reform der Weltrangliste mit der Verpflichtung von Topspielern zur Teilnahme an nunmehr doppelt so vielen World-Tour-Turnieren als bisher. Was die Attraktivität von German Open und anderen World-Tour-Turnieren weiter steigert, ist aber für die Klubs ein Problem: Denn ihre Besten werden im ohnehin schon bald platzenden Terminkalender nochmals zusätzlich beansprucht oder besser: belastet. Zugleich werden Asse von auch international ambitionierten Vereinen aus größeren Ligen wie Timo Boll in Düsseldorf oder ein Hugo Calderano in Ochsenhausen aufgrund ihrer Ziele als Einzelsportler in Interessenkonflikte gestürzt. Konflikte, die meistens nur durch Entgegenkommen der Klubs aufgelöst werden können, wollen die Manager ihre Zugpferde nicht verlieren. Düsseldorf holte auf der Zielgeraden der Transferperiode seinen Publikumsliebling Kamal Achanta als Backup zurück, um Boll oder auch seinen aufstrebenden Zugang Omar Assar und das Schweden-Duo Kristian Karlsson und Anton Källberg zu entlasten. Personelle Aufrüstung ist eine Möglichkeit, Ochsenhausen wählte eine andere: Die Oberschwaben werben bei Calderano und auch beim EM-Zweiten Simon Gauzy um Vertrauen, indem das bärenstarke Team sich für die kommende Saison auf internationalem Parkett ‚freiwillig‘ in die Zuschauerrolle begibt und damit einerseits seinen Stars bis zu zwölf denkbare Termine erspart und andererseits Vereinsziele zurückstellt.
Schalke und BVB verzichten - undenkbar!
Übertragen auf den Fußball wird die Dimension von Ochsenhausens Entscheidung erst richtig deutlich: Hinter Primus Bayern München verzichten Vizemeister Schalke und auch Borussia Dortmund auf die Teilnahme an der möglichen Champions League, weil ihre Nationalspieler künftig durch die Nations League noch mehr beansprucht werden. Undenkbar? Richtig. Warum? Weil die Champions League im Fußball für die qualifizierten Vereine beinahe eine Lizenz zum Gelddrucken ist und damit für die Stärkung von Mannschaft und Strukturen. Das ist im Tischtennis ganz anders: Generieren die Klubs keine zusätzlichen Prämien von ihren Sponsoren für gewisse Zwischenziele oder gar den Titelgewinn in der Königsklasse, ist der sogenannte Premiumwettbewerb für die Besten der Besten nur ein Zuschussgeschäft. Aus Ochsenhausen wird ein Defizit im Etat von jährlich bis zu 50.000 Euro wegen der Champions League kolportiert.
So beklagenswert die Unterentwicklung der Königsklasse im Tischtennis auch sein mag, so sehr zeichnet sich aber einmal mehr ein Problem für die Vereine und dabei besonders für die solide wirtschaftenden Bundesliga-Teams ab. Denn die Klubs geraten durch die Vielfalt an sportlichen Zwängen für ihre Stars zum einen und an lukrativen Verdienstmöglichkeiten ihrer Topspieler wie die künftige Profiliga in Japan oder die Startup-Wettbewerbe T2 und UTT in Indien zunehmend unter Druck, weil die traditionellen Vereinswettbewerbe durch die UTT und Co. mit deren Fokus auf die Präsentation von Spitzenspielern immer weiter entwertet werden. Für die Vereine drängt die Zeit, auf geeignete Weise dem für ihre Belange unheilvollen Trend ein modernes Konzept entgegenzusetzen. Auch die TTBL und der DTTB sind gefordert, können den Verbänden die Schicksale ihrer Klubs doch nicht gleichgültig sein. Übergeordnet stehen aber auch die ITTF und ETTU für eine regulierte und ausbalancierte Wettkampflandschaft in der Verantwortung.
(Dietmar Kramer)
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